Die neue Art des Wanderns


Schmannewitz. Wie Skistöcke sehen die halbhohen Stäbe aus. Doch nirgends sind die dazugehörigen Bretter zu sehen. Ein Blick aus dem Hotel Wiesenhof verrät ebenso, dass der zum Skifahren dringend benötigte Schnee fehlt. Da kommt der leicht verwirrte Besucher ins Grübeln. Denn eigentlich ist Schmannewitz auch nicht als Ski-Ressort bekannt, sondern eher als Naherholungsgebiet mit Möglichkeiten zum Wandern und Geniessen der Natur.

Ein kurzer Blick in den Kalender an der Rezeption verrät, dass es Spätherbst ist - also mit Schnee nicht wirklich zu rechnen. Direkt daneben sieht der immer noch irritierte Gast das Zertifikat vom Nordic Walking, was übersetzt so viel wie nordisches Laufen heisst. Nachdem Claudia Grossert, Leiterin des Hotelbetriebs im Wiesenhof und Nordic Walking-Trainerin, kurz die Sportart erklärt hat, stellt sich nun der Aha-Effekt ein.

"Tatsächlich ist die Idee, wenn man die Nordic Walking-Stöcke sieht und dabei an Skilaufen denkt, nicht abwegig", bemerkt Grossert. Seit den 50er Jahren suchten Skilangläufer und Biathleten nach einer Trainingsmöglichkeit im Sommer. Über die Jahrzehnte und zahlreiche Varianten später wurde in Finnland 1997 das Nordic Walking vorgestellt - ohne Ski, aber mit Stöcken. 2005 erfreut sich der ganzjährig mögliche Laufsport einer grossen Beliebtheit weltweit. Hotels, Pensionen und Vereine haben das Nordic Walking in ihre Programme aufgenommen.

Mit der Arbeit zum Erhalt des Erholungsortsstatus von Schmannewitz kam auch die Idee auf, das Nordic Walking in dem Heidedorf zu etablieren. "Das passt perfekt in unser Konzept von Erholung in der Dahlener Heide und hat zusätzlich noch eine grosse medizinische Bedeutung", erklärt die 25-jährige Claudia Grossert. Die verbesserte Variante des Laufens ist ein guter und körperlich schonender Einstieg in die sportlich wichtige Beteiligung während einer Diät. Gleichermassen hilft der Laufsport Diabetikern, ihren Zuckerspiegel zu senken, Gelenk- und Rückenschmerzen zu verringern durch die Stärkung einer Vielzahl an Muskeln, die bei korrekter Anwendung der etwas speziellen Lauf- und Stocktechnik beansprucht werden und bietet Ausgleich zum stressigen Arbeitsalltag.

Auf Grund solch überzeugender Gesundheitsaspekte hat sich die Hotelleiterin jetzt mit drei der Angestellten die Zeit genommen, ihr eigenes Wohlfühl-Angebot zu testen. Zwar haben Marion Decker und Tina Harnisch auch sonst im Dienst genügend zu laufen, doch an diesem Nachmittag kümmern sich die beiden Servicekräfte gemeinsam mit Koch Frank Boike um ihr eigenes Wohl und geniessen die Landschaft vor der Hoteltür.

Aller Anfang ist auch beim Nordic Walking schwer. Bevor die Stöcke zum Einsatz kommen, gehen die vier ein Stück, um die die Muskeln zu lockern. Langsam hat auch Frank Boike, der zum ersten Mal Nordic Walking ausprobiert, den Dreh mit der Arm- und Stocktechnik raus. Nach wenigen Kilometern sind alle in den Bewegungsabläufen drin. Doch das erste Aufstöhnen über die Strecke wird laut. Vielleicht ein ungünstiger Zeitpunkt, um dem 20-jährigen Koch zu verraten, welche Distanz noch auf ihn wartet.

"Wir sind heute recht langsam unterwegs", meint Grossert und schaut auf die Stoppuhr. Sonst absolviert die 25-jährige Trainerin mit den vorwiegend älteren Gästen des Hotels kürzere Strecken als die etwa sieben Kilometer vom Forsthaus Schmannewitz über die Jägereiche und Tote Magd zurück ins Heidedorf. Doch das perfekte Wetter und der Ausblick in die Landschaft der Dahlener Heide entschädigt völlig für die ungewohnten Strapazen. "Ist das nicht herrlich, wie das Licht das Herbstlaub so farbenfroh leuchten lässt?", stellt Marion Decker freudig fest.

Nach gut anderthalb Stunden sind die ersten Häuser des Heidedorfes wieder in Sicht. Für die Schmannewitzerin war der Herbstlauf eher wie wandern, doch merkt die 47-Jährige, wie es beim Auslaufen "schon etwas im Rücken zieht" und morgen ein leichter Muskelkater als Erinnerung bleiben wird. Obwohl Tina Harnisch spürt, dass ihre Füsse sonst kürzere Strecken gewöhnt sind, wird die 24-Jährige in einer Stunde wieder für die Gäste da sein.

Michael Kind

 


Quelle
http://www.lvz-online.de


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