SCHLAPPIS.CH

Gesünder sterben


Gesünder sterben

Das Ideal liegt irgendwo zwischen "no sports" und übertriebenem Ehrgeiz: Untersuchungen belegen, dass mehr als 60 Prozent aller Hobbyläufer zu schnell rennen. Sport ohne Mass schadet mehr, als er nützt.

Von Werner Bartens

Man jage sich Tag für Tag durch den Wald, um gesund zu bleiben – und werde dann Opfer eines Verkehrsunfalls. Der Soziologe Niklas Luhmann hat in seiner „Soziologie des Risikos“ die Gefahren für Freizeitsportler klar benannt.

Doch selbst im Wald droht Ungemach. Seit dem Tod des früheren britischen Aussenministers Robin Cook vor gut einer Woche diskutieren Mediziner verstärkt über die Risiken, denen sich Millionen Freizeitsportler aussetzen. Cook war während einer Tour in den schottischen Highlands zusammengebrochen und kurz darauf gestorben. Der Labour-Politiker galt zwar als passionierter Wanderer, litt aber auch an erhöhtem Blutdruck.

Dass Sport Mord sei, bewahrheitet sich nur ganz selten, und Winston Churchill, der „no sports“ zu seinem Lebensmotto machte, war in seiner Jugend selbst ein begeisterter Sportler.

„Jemand, der gesund ist, kann sich mit Sport nicht umbringen“, sagt Peter Bärtsch, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin. „Bewegung ist die natürlichste Sache der Welt, gefährlich wird intensive körperliche Betätigung erst bei vorbestehenden Erkrankungen“, sagt der Mediziner.

So gehe ein Herztod während des Sports bei Menschen jenseits der 35 zu 80 Prozent auf eine nicht erkannte Verengung der Herzkranzgefässe zurück.

Gerade Menschen, deren körperliche Aktivität sich normalerweise darauf beschränkt, zur U-Bahn zu hasten und im Büro die Computertastatur zu bearbeiten, sind anfällig für Schäden an Herz und Kreislauf. „Wer nach langer Pause wieder Sport machen will, sollte langsam anfangen“, rät Bärtsch – und bei Beschwerden und Unwohlsein den Arzt aufsuchen.

Doch nicht mal diejenigen, die regelmässig Sport treiben, verhalten sich so vernünftig. Sie entwickeln häufig falschen Ehrgeiz. Untersuchungen von Sportmedizinern haben jüngst ergeben, dass mehr als 60 Prozent aller Hobbyläufer zu schnell rennen.

Weil sie nicht so oft zum Joggen kommen wie geplant, spornen sich die Freizeitsportler zu exzessiven Leistungen an, die dem Körper nicht gut tun: Wer es mit Ausdauersport übertreibt, bringt sich jedoch nicht nur um den Trainingseffekt einer kontinuierlichen Leistungssteigerung. Er riskiert auch einen schnelleren Verschleiss von Knochen und Gelenken sowie chronische Erschöpfung.

Bei Bluthochdruck tut man gut daran, den Körper besonders behutsam auf Trab zu bringen. Wichtiger als die persönliche Bestleistung ist es, regelmässig und nicht mit voller Kraft zu trainieren. Täglich unter leichter Belastung zu laufen, zu schwimmen oder Rad zu fahren, wäre optimal.

Sich trotz Bluthochdrucks oder Herzbeschwerden zu verausgaben, dient nicht der Gesundheit. Zyniker unter den Sportärzten sagen über Chancen und Risiken der Leibesertüchtigung: Sportler leben zwar nicht länger, aber sie sterben gesünder.

Dabei ist unbestritten, dass Ausdauersport die Gesundheit fördern und das Leben verlängern kann – wenn er richtig betrieben wird. Acht Jahre Lebenszeit können durch regelmässiges massvolles Laufen, Schwimmen oder Radfahren hinzugewonnen werden, haben Ärzte vor kurzem errechnet.

Man sollte den Sport, den man treibt, allerdings mögen und nicht nur aus Gründen der Gesundheit schwitzen: Denn die durch Sport gewonnene Lebenszeit geht für das Training drauf.


Quelle
http://www.sueddeutsche.de


< zurück

URL: http://www.schlappis.ch
© schlappis.ch — Alle Rechte vorbehalten