Wenn einer eine Reise tut, stolpert er ins Netz


Ob Waikiki oder Wabern, Wladiwostok oder Wipkingen - das World Wide Web ist für viele Reisende die erste Anlaufstelle und Ausgangspunkt für die grosse weite Welt. Es gibt hier zu jedem Flecken der Erde eine Fülle von Informationen, touristische Angebote lassen sich vergleichen und auch gleich buchen und bezahlen. Gemäss Schätzungen von Branchenkennern wird in einigen europäischen Ländern - Deutschland, Grossbritannien, Skandinavien - bereits jede fünfte Reise online gebucht. In der Schweiz soll der Anteil bei sechs bis acht Prozent liegen. Auf Online-Dienstleistungen spezialisierte Reisebüros wie Ebookers verzeichnen beim Umsatz Zuwachsraten im hohen zweistelligen Bereich, während gleichzeitig traditionelle Reisebüros, die auf Laufkundschaft angewiesen sind, darben.

Die Länge des Weges vom Bahnhof zur Busstation, die Abfahrtszeit des Ortsbusses, die Öffnungszeiten des Freibads, die Weinkarte der Dorfbeiz - dank dem Internet lässt sich fast jeder Aspekt einer Ferienreise vorausplanen. Fluggesellschaften, grosse Hotelketten, Ferienhausagenturen und bekannte Autovermieter sind schon seit Jahren im Internet präsent; mittlerweile haben sich aber auch schon kleine und kleinste Anbieter von touristischen Dienstleistungen auf Internet-Kundschaft eingestellt.

Relevanz, vorgetäuscht

Das laute Geschrei der Vermittler und die Überfülle an Informationen sind die ersten Probleme, mit denen sich auseinandersetzen muss, wer im Internet eine Reise plant. Das Web ist wie ein Dschungel, unübersichtlich und voller Gefahren, es ist wie ein arabischer Markt, wo einem Händler in einer Sprache, die man nicht versteht, etwas verkaufen möchten, das man nicht kennt und vermutlich auch nicht will. Wer nicht schon die Web- Adresse eines vertrauenswürdigen Online-Reisebüros, eines guten Hotels oder einer kundenfreundlichen Fluggesellschaft kennt, wer bei Google beginnen muss, ist verloren.

Wer sich bei Google als Tourist zu erkennen gibt, Suchanfragen absetzt wie «Ferienhaus Dänemark» oder «Hotel Paris» oder «Mietauto Rom» wird mit grosser Wahrscheinlichkeit an der falschen Adresse landen. Viele Vermittler von touristischen Dienstleistungen haben mit grossem programmiertechnischem Aufwand ihre Websites so aufgemotzt, dass sie von den Suchrobotern in verschiedensten inhaltlichen Zusammenhängen fälschlicherweise als wichtig taxiert werden. Suchmaschinen-Marketing oder - etwas weniger vornehm - Suchmaschinen-Spamming nennt sich diese Trickserei. So wie der Massentourismus das zerstört, was er liebt - Authentizität, Einzigartigkeit -, so vernichten die Methoden des Suchmaschinen-Spamming das, was sie anstreben: die Aufmerksamkeit und das Vertrauen der Suchmaschinenbenutzer. Gemäss einer Studie der Internet-Werbeagentur Bloofusion ist jede vierte Website, die bei Google auf den vorderen Rängen aufgelistet wird, Spam. Bei Anfragen, die darauf hindeuten, dass jemand Geld ausgeben möchte, dürfte der Anteil der Websites, die Relevanz nur vortäuschen, bedeutend höher sein.

Suchmaschinen-Spamming ist ein Problem, mit dem sich Online-Touristen auseinandersetzen müssen, ein anderes ist, dass die Websites bei vielen Unternehmen nur Aussenstellen sind, die mit der zentralen Informatik nur sehr lose gekoppelt sind. So kann es vorkommen, dass ein Web-Server eine Buchung in Sekundenschnelle per E-Mail bestätigt, obwohl der Buchungsprozess erst angestossen, aber längst nicht abgeschlossen ist, vielleicht auch gar nie abgeschlossen wird, weil der Webserver nur via Fax und Sachbearbeiterin mit den zentralen Computersystemen des Enterprise Ressource Planning verbunden ist und die Sachbearbeiterin gerade nicht da ist und der Fax kein Papier hat.

Die Logik des Systems

Aufblasbare Flugzeugmodelle, das Plakat mit der Bikinischönheit, ein holprig drehender Globus, der im Dunkeln leuchtet - werden die Ausstattungsmerkmale von traditionellen Reisebüros bald verramscht werden, weil es wegen des Internets Vermittler nicht mehr braucht im Tourismus? Wir wagen es zu bezweifeln oder wollen es zumindest, nach ernüchternden Erfahrungen mit Online-Buchungen, nicht hoffen: Das Ferienhäuschen in Dänemark - online gebucht, per E-Mail bestätigt - war anderweitig besetzt, der Mietwagen - online gebucht, per E-Mail bestätigt - stand nicht zur Verfügung, und sogar der Rückflug mit Swiss - online gebucht, per E-Mail bestätigt - war annulliert worden.

Ein Ferienhäuschen konnte doch gefunden werden, weil ein ungutes Gefühl bereits Wochen vor der Abreise zu einer telefonischen Rückfrage gedrängt hatte. Auch ein anderes Mietauto liess sich per Handy rasch organisieren. Der Platz im halb leeren Flugzeug musste allerdings ein zweites Mal bezahlt werden; nachdem das Billett für den Hinflug nicht benutzt worden war, sei auch das Billett für den Rückflug nicht mehr gültig, hiess es bei Swiss; wer nur einen Teil der bereits bezahlten Dienstleistung nutzen wolle, müsse dafür doppelt bezahlen. Das sei zwar nicht logisch, aber die Buchungssysteme aller Fluggesellschaften seien so programmiert.


Quelle
http://www.nzz.ch


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