Hochbetrieb im Intrigantenstadel


Bei Swiss Ski wird gestritten - dabei ist die finanzielle Situation so gut wie nie

Leistungssportchef Gian Gilli soll bei Swiss Ski keine Zukunft mehr sehen, weil ihn die Verbandsführung vom grossen Zampano zum Sachbearbeiter degradiert, heisst es. Und weil das für viele an Blasphemie grenzt, wird im Hintergrund ein Präsidentschaftskandidat aufgebaut für den Fall, dass es gelingen sollte, Duri Bezzola abzusägen. Es herrscht Hochbetrieb im Intrigantenstadel Swiss Ski.

Von Remo Geisser

Nichts ist in diesem Verband so konstant wie die Inkonstanz. Vor gut einem Jahr wurden die zur Jahrtausendwende teuer eingekauften Strukturen über Bord geworfen und die Sponsoringaktivitäten in eine Agentur ausgelagert. Der grosse Gewinner war Gian Gilli, dessen Kompetenzen als Sportchef ausgeweitet wurden. Jetzt sind die Strukturen schon wieder überholt, und mit Hansruedi Laich wurde ein Banker zum Direktor bestimmt. Für Gilli, der auf dieses Amt aspiriert hat, bleibt nur noch der Job als Chef der Alpinen. Dies erfuhr er rund zwölf Stunden bevor Laich an einer Pressekonferenz präsentiert wurde. Gilli zauberte in einer Flucht nach vorne ein Konzept aus dem Hut, das eine Loslösung der Alpinen vom Verband vorsah. Die Skifahrer sollten in einem Profitcenter geführt werden - mit Gilli als starkem Mann. Diese Idee wurde vor einer Woche vom Präsidium verworfen. Der Leistungssportchef soll sich in das Konzept des Verbandes einfügen - oder gehen. Dass sich das Bündner Alphatier völlig unterordnet, ist undenkbar. Der 30. November ist sein nächstmöglicher Kündigungstermin.

Das Drängen auf eine grosses Reinemachen

Im Verband hat sich ein Graben aufgetan zwischen Gillianern und Führungstreuen. Erstere sehen im Engadiner Sportchef den Messias des tief gesunkenen helvetischen Skisports und drängen auf ein grosses Reinemachen. Die Schläuche an der Spitze, wie Paul Accola zu sagen pflegt, müssten endlich weg, allen voran Präsident Duri Bezzola. Pirmin Zurbriggen wird als möglicher Nachfolger genannt, und weil der vorerst mit der Führung des Walliser Skiverbandes genug zu tun hat, wird als Interimspräsident der Waadtländer Jean-Philippe Rochat portiert.

Die Gillianer betonen die Qualitäten des Leistungssportchefs. Er ist ein ausgezeichneter Kommunikator und ein Chrampfer, der in den vergangenen drei Jahren einiges bewegt hat. Allerdings ist seine sportliche Bilanz alles andere als glänzend. Unter Gillis Führung rutschten die Alpinen vom oberen ins unterste Mittelmass, und die Nordischen purzelten hinterher. Zum Thema Personalpolitik sind endlose Evaluierungen in Erinnerung. Es wurden immer wieder grosse Namen genannt, präsentieren aber musste Gilli Notlösungen. Marie-Theres Nadig ist als Frauenchefin grandios gescheitert; Martin Rufener verfügt als Männerchef über grosse Akzeptanz, hat aber bisher keine grossartigen Resultate erreicht. Im Wutgeheul der Gilli-Treuen hat Hansruedi Laich als designierter Direktor einen denkbar schlechten Start. Sehr wahrscheinlich ist der Appenzeller als Banker und früherer Präsident des Ostschweizer Regionalverbandes die ideale Besetzung für den Direktorenposten. Diskutiert wird derzeit aber nur über sportliche Kompetenzen.

Sparbudget nach oben korrigiert

Das Duo Laich/Bezzola betont deshalb, wie wichtig ihm eine Zusammenarbeit mit Gilli sei. Dass man den Sportchef aber bis zum letzten Moment über seine Zukunft im Ungewissen liess, statt einen gemeinsamen Weg zu suchen, signalisiert das Gegenteil. Bezzola sagt, dass er noch immer mit Gilli verhandle. Davon kann jedoch keine Rede sein. Die beiden Engadiner, die vor drei Jahren noch als fröhliche Seilschaft auftraten, haben sich nichts mehr zu sagen. Erstaunlicherweise findet das Hickhack in einer Zeit statt, in der die Perspektiven deutlich besser sind als auch schon. Die Strukturen scheinen klar und effizient, die finanzielle Situation ist gut, und im Leistungssport wurden Nachwuchsprojekte initiiert, die einiges versprechen. Auch die Spitzenathleten müssen nicht derart darben, wie es im Frühling noch den Anschein machte. Laut Bruno Marty, dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung, wurde das Sparbudget vom April im September nach oben korrigiert: Der Leistungssport erhielt zusätzliche 350'000 Franken, eine Viertelmillion ging allein an die Alpinen. Damit begab sich der Verband auf Crashkurs: Wäre nicht später noch ein vierter Grosssponsor akquiriert worden, hätte die Rechnung mit einem Defizit von einer Million Franken geschlossen.

Duri Bezzola: «Ich bin bis 2008 gewählt»

Heute verfügt Swiss Ski laut Marty über mehr Sponsoringgelder denn je - schätzungsweise rund zehn Millionen Franken. «Wir nehmen aus dem Verbandssponsoring deutlich mehr ein als etwa die Österreicher und die Deutschen», sagt Marty. Auch im Vergleich mit anderen Schweizer Verbänden steht Swiss Ski sehr gut da. Im Klartext: Es dürfte kaum möglich sein, noch mehr Geld zu generieren. Wenn nun immer noch gejammert wird, muss nach Sparpotenzial im 25-Millionen-Budget gesucht werden. Ein Problem ist sicher, dass Swiss Ski mittlerweile acht Disziplinen unter einem Dach versammelt. Die Kosten für die Integration von Snowboard und Biathlon wurden unterschätzt. Noch in diesem Jahr sollen laut Marty sportliche Prioritäten gesetzt werden, auf deren Basis für jede Disziplin eine Finanzplanung bis 2009 erstellt wird. Swiss-Ski-Präsident Bezzola hat seine Prioritäten schon festgelegt. «Wenn die Alpinen funktionieren, funktioniert die Welt», sagt er. Auch dass er als Präsident höchst umstritten ist, ficht ihn nicht an. Das Gerücht, er habe sich vor einer Woche an einer Präsidiumssitzung bereit erklärt, Platz zu machen, wenn eine Alternative präsentiert werde, dementiert er. «Ich war doch nicht betrunken», sagt der FDP-Nationalrat. Und: «Ich bin bis 2008 gewählt.» Bis dahin dürften noch einige Attacken gegen Bezzola geritten werden.
 


Quelle
http://www.nzz.ch


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