Ullrich, Landis, Gatlin - der Nächste bitte...


DOPING-SKANDALE


Helle Aufregung in der Sportwelt: Nach Radfahrer Landis steht jetzt auch Sprinter Gatlin unter Doping-Verdacht. Sein Trainer spricht von Sabotage. Derweil mutmassen Experten in der "BamS", Radfahrer Landis habe womöglich nicht nur mit Testosteron, sondern auch mit Blut gedopt.

Hamburg - "Landis hat an einem Tag auf 13 Kilometern bergauf über zehn Minuten verloren. Am nächsten Tag fuhr er die Berge hoch allen davon. Physiologisch ist diese Leistungsexplosion nicht zu erklären. Und auch nicht allein mit Testosteron", erklärte Wilfried Kindermann, Sportmediziner der Uniklinik Saarland und Leitender Olympiaarzt, der "Bild am Sonntag" über den Radfahrer Floyd Landis.

Der Tour-de-France-Sieger muss sich derzeit gegen Doping-Vorwürfe zur Wehr setzen. Der ARD zufolge lag der Testosteron-Wert bei dem 30 Jahre alten Kapitän des Phonak-Teams in der A-Probe bei 11:1. Der zulässige Grenzwert betrage 4:1. Die enorme Leistungssteigerung des Radlers sei aber allein mit Testosteron nicht zu erklären, sagte Kindmann der "Bild am Sonntag".

"Testosteron verkürzt die Regenerationszeit. Damit werden Sportler schneller belastungsfähig. Es erklärt aber nicht den plötzlichen Leistungszuwachs bei Landis", sagt er. "Als er auf einmal die Berge hochflog und keiner der anderen Sportler mithalten konnte, habe ich spontan gedacht: Der hat mit Blut gedopt", erklärt auch Dirk Clasing, Vize-Chef der Nationalen Anti-Doping-Agentur. Bei dieser Methode lassen sich Sportler längere Zeit vor dem Wettkampf Blut abnehmen. Am Wettkampftag oder kurz davor gibt es dann eine Transfusion. Dadurch verfügt der Sportler über mehr rote Blutkörperchen, die den Sauerstoff transportieren. Die Leistungsfähigkeit steigt so um mehrere Prozent.

Sollte Landis tatsächlich auf diese Weise seine Ausdauer aufgebessert haben, wird man das wahrscheinlich nie erfahren. Doping mit Eigenblut ist laut Clasing nicht nachweisbar.

Trainer: "Gatlin ist in eine Falle getappt"


Die Affäre um den Tour-de-France-Sieger ist nicht die einzige, die derzeit die Sportwelt erschüttert. Nur zwei Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Landis wurde bekannt, dass auch der Sprinter Justin Gatlin nach einem Staffel-Rennen im April in Kansas City ein zu hoher Wert von Testosteron oder dessen Ableger nachgewiesen wurde. Gatlin ist Olympiasieger, Weltmeister und Weltrekordhalter über 100 Meter.


Der Trainer des positiv getesteten Sprintstars spricht jetzt von gezielter Sabotage gegen den 100-m-Weltrekordler. Laut Trevor Graham wurde der 24 Jahre alte Gatlin in eine Falle gelockt. Im Interview mit einem TV-Sender aus seiner Heimat Jamaika erklärte Graham geheimnisvoll: "Wir wissen, wer das gemacht hat. Wir versuchen, ihn zu überführen. Wir hoffen, dass uns das gelingt. Wir wissen immerhin, wer es ist und wie er in unsere Struktur eingedrungen ist." Einen Namen nannte der Trainer zwar nicht, aber er lenkte den Verdacht auf einen ehemaligen Angestellten seiner "US Sprint Capitol Group". Diese Person habe er entlassen und dann wieder eingestellt, erklärte Graham.

"Bereits seit einiger Zeit haben wir einen Privatdetektiv auf die Spuren des Schuldigen angesetzt", erklärte Graham, der allerdings schon mit zahlreichen Athletinnen und Athleten in Dopingskandale oder Verdächtigungen verwickelt war. Darunter befand sich auch Tim Montgomery (USA), der 2002 in Paris den Weltrekord auf 9,78 Sekunden gesenkt hatte. Graham war auch Trainer der dreifachen Sydney-Olympiasiegerin Marion Jones.

"Da kann man sich nicht raushalten"


Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Sport-Star als Dopingsünder geoutet wird. In Deutschland werden deshalb die Rufe nach einem Anti-Doping-Gesetz lauter. "Da kann man sich nicht raushalten. Da muss ein Gesetz her", erklärte etwa der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber laut Vorabmeldung in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Gefängnisstrafen müssten auch beim Doping erwogen werden. "Das ist kein Kavaliersdelikt mehr, sondern kriminelles Unrecht. Man macht eine Sportart kaputt." Die betreffenden Radsportler seien ein Idol für die Jugend und würden den Glauben in die Fairness des Sports zerstören. "Und deswegen müssen wir hier anders vorgehen", erklärte der CSU-Chef. "Das muss vom Staatsanwalt und von den Gerichten geahndet und verfolgt werden."

Die Grünen forderten ebenfalls die rasche Einigung auf ein solches Gesetz. Auch betroffene Sportler selbst sollten zur Rechenschaft gezogen werden. "Der Dopingbegriff muss erweitert werden", sagte der sportpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Winfried Hermann, im Inforadio des RBB. In Deutschland sei bisher nur verboten, Medikamente zum Doping einzusetzen; bestraft werde nicht der dopende Sportler, sondern der Arzt oder Trainer. Man müsse aber auch den Sportler mit in die Verantwortung einbeziehen.

Auch die Unionsfraktion im Bundestag rief die Bundesregierung nach Informationen der "Rheinischen Post" auf, "eine Kennzeichnungspflicht für dopingrelevante Arzneimittel" im Sinne des Arzneimittelgesetzes einzuführen und einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, um "die Strafbarkeit des bandenmässigen und gewerbsmässigen Inverkehrbringens" von Dopingsubstanzen zu verschärfen. Die Länder werden aufgefordert, Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Doping einzurichten. "Wenn wir diesen Sumpf trocken legen wollen, müssen wir auch den Besitz von Dopingmitteln unter Strafe stellen", wird der stellvertretende Fraktionschef Wolfgang Bosbach zitiert.

Quelle
http://www.spiegel.de


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