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Wenn Sport zur Sucht wird


"No Sports." Dieses Zitat wird dem ehemaligen britischen Premierminister Winston Churchill zugeschrieben. "Sport ist Mord", sagt der Volksmund. Ganz so schlimm ist es in der Regel nicht, aber wenn Sport zu Sucht wird, kann das für den Körper gefährlich werden.
Denn wenn den Aktivitäten alles andere im Leben untergeordnet wird, sprechen Psychologen bereits von Sportsucht - ein Phänomen, das Menschen aller Altersgruppen trifft. Sie sind dem Drang nach Bewegung mitunter so stark verfallen, dass sie sogar die Warnsignale des überlasteten Körpers ignorieren.

Immer wieder sind Betroffene auf der Suche nach dem "Kick", den die körpereigenen Glückshormone vor allem beim Ausdauersport auslösen. "Runners High" nennen die Profi-Jogger diesen Zustand, der sie alle Sorgen vorübergehend vergessen lässt.

Wann jedoch die regelmäßige Bewegung zur Sucht wird, ist nicht immer leicht festzustellen. "Die Betroffenen erkennen es oft nicht selbst, für andere ist es einfacher", sagt der Braunschweiger Sportpsychologe Lars Hilgers. Der Sport bringe den Betroffenen so viel Spaß, dass sie ihre Sucht verleugnen. Freunde oder Angehörige dagegen könnten eher das unnormale Verhältnis zum Sport erkennen und sollten den Betroffenen daraufhin ansprechen, empfiehlt der Experte.

Kurzfristiger Lustgewinn

Offensichtlich werde das Problem allerdings, wenn beispielsweise eine Verletzung den "Sport-Süchtigen" zur Pause zwingt und sich Entzugserscheinungen einstellen, sagt der Leiter des Psychologischen Instituts der Deutschen Sporthochschule Köln, Henning Allmer. "Man ist dann unruhig, unausgeglichen, empfindet ein Kribbeln und Zittern", beschreibt er die Symptome einer starken psychischen Abhängigkeit.

In der heutigen Gesellschaft sei es schwer, Emotionen zu erleben. Deshalb suchten die Betroffenen in exzessivem Sport nach emotionaler Zufriedenheit, betont der Fachmann. Diese kurzfristigen Glücksgefühle wollten sie dann immer wieder, immer intensiver erleben und trieben deshalb ständig mehr Sport. "In solch einer Emotionsspirale bekommt man nicht mehr mit, wenn man dem Körper schadet", warnt Allmer. Die Folge könnten Schädigungen der Gelenke oder andere, teils irreparable Verletzungen sein.

Oft geht mit der Sportsucht nach seinen Worten auch ein Verlust der sozialen Kontakte einher, da sich das gesamte Leben nur noch um die tägliche Dosis Bewegung drehe. Sport sorge dann - ähnlich wie bei der Alkoholsucht - nur für einen kurzfristigen Lustgewinn, und das eigentliche Problem werde verdrängt.

Symptom einer Persönlichkeitsstörung

"Sportsucht kann unbewusst eine Flucht vor privaten Schwierigkeiten sein", berichtet Hilgers. Auch Probleme im Job würden manchmal im Drang nach mehr und mehr Bewegung kompensiert. "Irgendwas im sozialen Gefüge stimmt nicht", sagt er. Wenn dies nur eine vorübergehende Phase im Leben ist und der Betroffene möglicherweise mit Hilfe anderer sein Problem erkannt hat, könne er selbst daran arbeiten, sein Sportpensum peu á peu auf ein Normalmaß herunterschrauben und sich mit seinen tatsächlichen Sorgen befassen.

Nur in besonders schwierigen Fällen empfiehlt Allmer eine Psychotherapie. Er berichtet vom Schicksal eines sportsüchtigen Mannes, der sich die Füße extrem wund gelaufen hatte und aus Angst vor einem Sportverbot nicht zum Arzt ging. Die meisten Menschen hätten allerdings ein normales Verhältnis zum Sport. Das Suchtpotenzial sei äußerst gering.

Sehr vorsichtig mit dem Begriff Sportsucht ist der Gießener Sportwissenschaftler und Psychologe Gregor Kuhn. "Das legt Parallelen zu anderen Süchten nahe, die nicht gerechtfertigt sind", sagt er. Mehrfach habe er erlebt, dass übermäßiges Sporttreiben Begleitphänomen einer anderen Störung, beispielsweise des Essverhaltens, ist.

Wenn sich jemand selbst durch Sport extrem belaste und möglicherweise sogar verletze, könne dies das Symptom einer Persönlichkeitsstörung sein. Sport sei dann ein Ventil, um Probleme in der Beziehung oder im Beruf vergessen zu können. Für andere Menschen sei Alkohol dieses Ventil.


Quelle
http://www.rp-online.de


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