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Der Run auf die WM-Tickets


Wie Politiker und Sponsoren zu Karten für die Fussball-WM in Deutschland kommen

Glücklich, wer sich wie die Bundesräte Leuenberger und Schmid ein Ticket für die Fussball-WM in Deutschland ergattert hat. Selbst gute Kunden der Nati-Sponsoren gehen leer aus. 

Peter Gilléron, der Generalsekretär des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV), kann sich momentan über mangelnde Post nicht beklagen. Und die Fans, die sich an den SFV wenden, wollen nur eines: Tickets für die Fussball- WM in Deutschland. Doch Gilléron muss praktisch alle Bittsteller enttäuschen: «Wir können bei weitem nicht alle Wünsche erfüllen, mit denen wir überschwemmt werden - egal, ob jemand prominent ist oder nicht.» Das Kontingent von 11 373 Eintrittskarten, das der SFV für die drei Schweizer Vorrundenspiele erhalten hat, ist längst aufgebraucht: 65 Prozent gelangen per Verlosung in den freien Verkauf. Nati-Spieler und Funktionäre erhalten 20 Prozent, und 15 Prozent sind für die 14 Firmen reserviert, welche die Nationalmannschaft unterstützen.

Glücklich daher, wer wie Samuel Schmid und Moritz Leuenberger die Schweiz offiziell in Deutschland vertreten darf. Gemäss Ernst Strähl, Sportberater von Schmid, hat die Landesregierung den Sportminister ans Eröffnungsspiel vom 9. Juni in München delegiert. Bundespräsident Leuenberger, bisher eher als kulturbeflissen denn als sportbegeistert bekannt, darf am 9. Juli beim Finalspiel in Berlin auf der Tribüne sitzen. Zudem besucht Schmid das Spiel Schweiz gegen Südkorea am 23. Juni in Hannover, und Leuenberger lässt sich die Schlagerpartie Schweiz - Frankreich vom 13. Juni nicht entgehen.

Freundschaft mit Korea

Die offiziellen Delegationen werden nur rund fünf Personen umfassen, und die Plätze sind entsprechend begehrt. So sagt ein Mitarbeiter aus der Umgebung Schmids: «Wir spüren, dass die Fussball-WM näher rückt. Ich wünschte, wir hätten ähnlich viele Freunde, wenn es um eine Panzer- oder Helikopter-Beschaffung geht.» Die «Freunde» aus Parlament, Verwaltung und Parteien, die sich gegenwärtig melden, erkundigen sich mehr oder weniger direkt nach WM-Tickets.

Nützlicher als ein direkter Draht zu Sportminister Samuel Schmid sind dann doch gute Beziehungen zum Fussballverband. So hat es laut Peter Gilléron «vereinzelte Anfragen» von Parlamentariern gegeben, die man zu erfüllen versucht hat. Die parlamentarische Freundschaftsgruppe Schweiz- Südkorea hat sich - gegen Bezahlung selbstverständlich - Tickets für das Spiel dieser Teams am 23. Juni in Hannover beschafft. Wie Gruppenleiter Ständerat Maximilian Reimann erklärt, hat eine «Handvoll Parlamentarier» davon profitiert.

Offizielle Einladungen an die Präsidenten von National- und Ständerat seien bisher nicht eingegangen, sagt Mark Stucki, Sprecher der Parlamentsdienste. Dem Besuch von ganzen Fangruppen aus dem Parlament steht entgegen, dass der Anpfiff zur Sommersession drei Tage vor jenem zur WM erfolgt und man deshalb wegen Schweiz - Togo die Fragestunde des Nationalrats schwänzen müsste. Dies hat Nationalrat Jürg Stahl nicht davon abgehalten, auf gut Glück an der weltweiten Fifa-Verlosung teilzunehmen. Riesig war die Freude, als ihm drei Tickets für ein Vorrundenspiel in München zugelost wurden. Eher ernüchtert war der SVP-Mann, als nach der Gruppenauslosung feststand, dass es sich um das «Hammerspiel» (Stahl) Tunesien - Saudiarabien handelt.

Gute Chancen, an die WM zu fahren, haben die Manager jener Firmen, die die Fussballnationalmannschaft unterstützen. Sowohl bei Hauptsponsor Credit Suisse wie auch bei Carlsberg, der Sport-Toto-Gesellschaft, Swiss Life und Swisscom wird die Konzernspitze das eine oder andere Spiel vor Ort verfolgen. Auf diese Weise kommen auch Regierungsräte aus 21 Kantonen zu den exklusiven Tickets. Sie vertreten die Kantone in der Generalversammlung der Sport-Toto-Gesellschaft. Gemäss Direktor Roger Hegi war es kein Problem, die Tickets abzusetzen: «Das Interesse übersteigt das Angebot bei weitem. Wir mussten bei den Einladungen sehr gezielt vorgehen.» Heiss begehrt waren vor allem die Karten für Schweiz - Frankreich.

Tickets für Schulklasse?

Mit dem grössten Teil der 60 bis 80 Billette pro Match wollen die Sponsorfirmen treue Kunden belohnen oder neue gewinnen. «Wir müssen leider viele unserer Berater enttäuschen, die sich bei ihren Kunden mit dem Besuch eines WM-Spiels für die gute Zusammenarbeit bedanken wollen», sagt CS- Sprecherin Jolanda van de Graaf.

Doch nicht nur zahlungskräftige Geschäftspartner gehen leer aus, auch phantasievolle Kunden klopfen vergeblich bei den Sponsoren an. So ein Lehrer, der bei Swiss Life nach 25 Karten für sich und seine Klasse fragte und als Gegenleistung anbot, mit seinen Schülern im Swiss-Life-Tenu Werbung zu machen. Ein anderer Bittsteller wollte gemäss Sprecher Rob Hartmans gehört haben, dass jeder Swiss-Life- Kunde ein Ticket bekomme. Eine kühne Annahme, sind doch allein in der Schweiz über eine Million Leute bei Swiss Life versichert.

Luxus-Billette für 15 000 Euro

Fussballfans, die unter allen Umständen bestimmte WM-Spiele sehen wollen, erhalten noch Tickets - vorausgesetzt, sie verfügen über das nötige Kleingeld. Die Firma iSe-Hospitality in Zürich verkauft im Auftrag des Weltfussballverbandes Fifa exklusive Eintrittskarten. Für das Paket «Schweiz Prestige» beispielsweise, das neben den drei Vorrundenpartien vier weitere Spiele vom Achtelfinal bis zum Final umfasst, müssen 15 000 Euro hingeblättert werden, dazu kommen 7,6 Prozent Mehrwertsteuer. Insgesamt will iSe-Hospitality fast 350 000 dieser exklusiven Billette verkaufen, in denen «Sky Boxen, First Class Gourmet Catering, gesonderter Zutritt zum Stadion und Parkplätze» inbegriffen sind. Rund 75 Prozent aller 3,2 Millionen Eintrittskarten für die 64 WM-Spiele sind für solche VIP- Gäste, Sponsoren, Funktionäre und Spieler reserviert. So ist es logisch, dass der «normale» Zuschauer kaum eine Chance hat, in den Verlosungen zum Zug zu kommen und eine WM-Partie vor Ort live mitzuverfolgen. (ase.)
 

 


Quelle
http://www.nzz.ch


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